Öffentliche Arbeitstagung der RISS-Redaktion
Organisation: Marcus Coelen, Judith Kasper, Aaron Lahl, Karl-Josef Pazzini, Mai Wegener
Eintritt: 10/5 €
In einer Art „Offenen Redaktionssitzung“ laden die Herausgeber der Zeitschrift RISS für die gerade in Vorbereitung befindlichen Nummern zu einem Gespräch ein.
Zur Zeit sind zwei Nummern des RISS in der Produktionsvorbereitung:
RISS 91: Trans (Aaron Lahl, Insa Härtel, Alejandra Barron) und
RISS 92: Psychiatrie der Psychoanalyse (Alexandre Wullschleger, Judith Kasper, Marcus Coelen, Sascha Wolters, Karl-Josef Pazzini).
Es wird Interventionen von Redakteuren und Autoren der Hefte als Gesprächsstart / – Anregung geben.
Hierzu die beiden Exposés:
Exposé Trans
Die lexikonähnlich zusammengestellten „Key Concepts for a 21st Century Transgender Studies“ (2004) in der ersten Ausgabe der Zeitschrift Transgender Studies Quarterly enthalten unter anderem zwei Texte, die der Psychoanalyse gewidmet sind, die also ein klassisches Verhältnis umkehren: Nicht mehr stellt die Psychoanalyse Transsexualität infrage, sondern umgekehrt fragen nun die Transgender Studies nach dem Wert und Unwert der Psychoanalyse. In einem der beiden Artikel heißt es:
„The failures of psychoanalysis with respect to transgender people are somewhat – and sadly – familiar“ – ein deutliches Urteil der Autorin, Patricia Elliot, mit Verweis auf Catherine Millots Horsexe (1990), eine lacanianische Studie, in der Transsexualität per se als psychotisches Phänomen qualifiziert wird. Weiter merkt Elliot an: „Lacanians are strikingly silent on the subject of transgender phenomena – striking, given that Lacanian psychoanalysis is fundamentally preoccupied with the question of ‚sexual difference.’“
Bis auf jüngere Ausnahmen, unter denen das Werk Patricia Gherovicis hervorsticht, problematisiert die Autorin also eine Geschichte des Pathologisierens und Ignorierens von Transphänomenen. Doch glücklicherweise hält sie die Tür für einen Dialog offen, verkündet gar „a new beginning for the relationship between psychoanalysis and trans“ und fragt: „[I]s there not something trans about psychoanalysis? Might there be something psychoanalytic about trans? Which ‚trans’ and which ‚psychoanalysis’?“
Unter dem Titel „trans“ möchte der RISS die von Elliot aufgeworfenen Fragen behandeln, und von „trans“ lernen. „Trans“ soll hierbei einen anschlussfähigen Signifikanten darstellen: Offen für den Sammelbegriff „Trans-gender“, für „Trans-sexualität“, für „Trans-vestismus“, aber auch für die Übertragung (frz. trans-fert).
Alejandra Barron wird anhand klinischer Vignetten die Eingruppierung von Transsexualität unter die psychotische Struktur einer kritischen Revision unterziehen und offenbar starke Widersprüche der lacanschen Theorie diskutieren.
Aaron Lahl wird Lacans 1976 mit Michel H. geführtes Interview vorstellen und dessen Rezeption durch Gherovici, die Michel H. als Transvestiten bezeichnet, dessen Wunsch nach operativem Eingriff Lacan zurecht ablehnend gegenübergestanden habe, diskutieren.
Insa Härtel wird schließlich den Film 52 Tuesdays (AU 2013, R: Sophie Hide) zum Gegenstand nehmen. 52 Tuesdays verzahnt auf besondere Weise Produktion, Darstellungsform und Narrativ, In verschiedenen Figuren und Konstellationen wird dabei die Unmöglichkeit einer ersehnten Übereinstimmung o.ä. erwogen. Nach Härtel stellt sich die Frage, ob 52 Tuesdays ein Film „über Transgender“ ist. (Exposé: Aaron Lahl)
Exposé Psychiatrie der Psychoanalyse
»Ich bin zuversichtlich, wir erobern bald die Psychiatrie« (Freud an Bleuler) - Lässt sich die Psychiatrie noch analysieren?
Die Psychiatrie steht als medizinisches Fach unter dem stetigen Einfluss eines positivistischen, biologisch-technischen Diskurses, der zusammen mit erdrückenden Effizienzforderungen die alltägliche Praxis in psychiatrischen Institutionen prägt, und somit droht, unter der Herrschaft der Standardisierung der Diagnosen und der Pharmako- und Psychotherapien, die Singularität der Subjekte und deren Leiden zu übersehen oder gar zu leugnen.
Hat in dieser Situation die Psychoanalyse etwas zu bieten?
Anstelle der evidence-based medicine?
Was tun, wenn sich der Arzt, der Psychotherapeut, die anderen Berufe in der Psychiatrie, dem Anspruch ausgesetzt sehen, mit Wissen und Handlungssicherheiten zu antworten?
Kann Psychoanalyse in diesem Kontext noch einen Platz haben?
Kann sie und sollte sie ihre von Lacan beschriebene „extraterritoriale Position“ in Bezug auf die Medizin verlassen?
Kann das psychoanalytische Denken die Dimension der Sprache und des Begehrens in seinem Unterschied zum Anspruch in die psychiatrische Praxis einführen?
Unter welchen Bedingungen?
Mit welchen Kompromissen?
Ausgehend von den Positionen von Freud und Lacan sowie historischen und aktuellen Beispielen sollen in dieser Ausgabe die Herausforderungen, Erwartungen, Kritiken, Verantwortungen, Vorurteile und Zweifel der Psychoanalyse in Bezug auf die Psychiatrie hinterfragt und besprochen werden. Vorgesehene Beiträge umfassen Aspekte der täglichen psychoanalytischen Praxis im kinder- und jugendpsychiatrischen und akutstationären Kontext sowie Erfahrungsberichte von praktizierenden Psychiatrietätigen. Die Arbeit unterschiedlicher psychiatrisch-psychoanalytischer Institutionen in verschiedenen Ländern wird auch thematisiert und betrachtet.
Im Rahmen der öffentlichen Redaktionssitzung werden von Alexandre Wullschleger erste thematische Überlegungen und Ideen skizziert und zur Diskussion gestellt. (Exposé: Alexandre Wullschleger)
***
Der RISS freut sich über alle Gäste und deren Beiträge. Literatur und Hinweise zur Vorbereitung können per Mail an aaron.lahl@ipu-berlin.de und alexandrewullschleger@gmail.com angefordert werden.