
Morten Paul:
»Die Macht Anderer übt eine merkwürdige Anziehungskraft aus. Sie stellt das politische Denken vor ein Rätsel, dem der französische Richter Étienne de la Boétie schon am Beginn der Neuzeit sein Traktat über die ›freiwillige Knechtschaft‹ widmete. Im 17. Jahrhundert verlieh Spinoza derselben Irritation Ausdruck, als er feststellte, dass Menschen beizeiten für ihre eigene Knechtschaft kämpfen, als sei es für ihr Heil. Überall dort, wo Akademiker:innen [also auch Psychoanalytiker:innen, kjp] für Antiintellektualismus empfänglich sind, Mittellose sich einen Milliardär zum Champion machen, Frauen einen Sexisten bewundern oder Migrant:innen in rassistische Hetze einstimmen, drängt sich die Frage erneut auf: Wie lässt sich ein politisches Handeln verstehen, das den Interessen der Handelnden zuwiderläuft?«
Aus psychoanalytischer Perspektive können wir fragen: Woher kennen wir die Interessen? Läuft es zuwider?
Wir können Freuds Jenseits des Lustprinzips zu Rate ziehen, mit Lacan erörtern: Was ist das Verhältnis von Genuss / jouissance und Begehren / Begierden / Wünschen ohne festes Objekt. – Haben die Kritiker der »Anziehungskraft« als Voyeure ihren Genuss in der Angst vor und in der Sehnsucht nach der künftigen Katastrophe? – Offenbar ist die Stimme der Vernunft leise: Argumente erreichen die, die auf dem Weg ohne Widerstand zum Genuss sind, kaum.
Auf welche Lücken der psychoanalytischen Theorie macht Morten Paul aufmerksam? Ließe sich aus der psychoanalytischen Arbeit etwas für die von Morten Paul skizzierten politischen Zusammenhänge gewinnen?– Ist die Attraktion der AfD eine Bildung des Unbewussten? – Können Kulturwissenschaft und Psychoanalyse Genuss-/Lustgewinn, der tödlich sein kann, erfinderisch umwandeln helfen?
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Gelegenheit über Aktuelles, über das was, gerade auffällt, zu sprechen.
Mögliche Impulse können von Nachrichten, Texten, Beobachtungen oder auffälligen Situationen ausgehen, die im psychoanalytischen Kontext eine neue BeDeutungsebene erhalten.