Ein öffentliches Seminar der Freud-Lacan-Gesellschaft Berlin
Leitung: Claus-Dieter Rath
Grenzüberschreitung und Einvernehmen beim Geschlechtsverkehr
Cornelius Tauber spricht über seine Lektüre des Vortrags von Dagmar Herzog Instrumentalisierung und Verdrängung: Die #metoo-Bewegung und ihre Kritiker*innen (Beim Kongress der FLG-Freud-Lacan-Gesellschaft, Berlin 6. Dezember 2019). Der Text wird Seminarteilnehmern zugesandt.
Martine Gardeux spricht über ihre Lektüre des Romans von Vanessa Springora Le Consentement [Das Einvernehmen], Paris: Grasset 2020 (auch als ebook wie kindle u.a.)
Erörterung weiterer Themenschwerpunkte des Seminars
Die Teilnehmer dieses Seminars erkunden die Funktion von Grenzziehungen und Grenzüberschreitungen, wie sie sich in der psychoanalytischen und politischen Erfahrung darstellen.
Die Frage dabei lautet: Wenn heute allenthalben Grenz-Spektakel inszeniert werden, vermag die Psychoanalyse das darin wirkende Begehren und Aufbegehren zu erhellen und Zusammenhänge etwa mit Problematiken des Körper-Ichs und der Besetzung erogener Randzonen zu erkennen? Wie funktioniert psychisch das Abgrenzen, Ausgrenzen und Eingrenzen, Isolieren, Eindämmen in Neurose, Psychose, Perversion? Und wie das Umschlagen von Lust/Unlust und Schmerz? Von Bindung und Entbindung? Was bewirken die unterschiedlichen Formen der Verwerfung? Wie kann – "Lust an der Grenze" – plaisir die überbordende jouissance eindämmen?
Gelingt es uns, Beziehungen darzustellen zwischen der psychischen Organisation und
- dem propagandistischen Schreckensbild offener Grenzen, in deren Folge die einheimische Bevölkerung und ihre Kultur in einer Migrantenflut umkommen sollen,
- subjektiven und kollektiven Identifizierungszwängen, den Politiken der Andersartigkeit, dem Beschwören einer besonderen Gruppen-Identität und einer diffusen Sehnsucht nach Souveränität,
- Globalisierungsangst, Entgrenzungssehnsucht und die Wirksamkeit von Befreiungsversprechen, die zur Einschließung in Kommunikations- und Zeichensysteme verführen,
- der Faszination am Niederreißen von Grenzen oder (kalkulierten, provokativen, kopflosen) Grenzüberschreitungen,
- der Koexistenz von Gefühlsroheit und höchster Sensibilität im Narzissmus der kleinen Differenzen,
- der Aufhebung von Grenzkontrollen oder deren Wiedereinführung (auch bezüglich sprachlicher und sittlicher Korrektheit oder ästhetischer und ökologischer Richtwerte und Normen)?
Wie werden diese Prozesse in kollektiven und individuellen Mythen transportiert? Welche Rolle spielen dabei Sprache, Topologie (mit ihren Schranken und Knotungen) und Sexualität?
Studieren wir auch die Grenze als Verbindende, also den Grenzverkehr zwischen den "Reiche[n], Gebiete[n], Provinzen, in die wir den Seelenapparat der Person zerlegen" (Freud: Die Zerlegung der psychischen Persönlichkeit, GW XV, S. 79).
Teilnahmegebühr: Wer nicht Mitglied der Freud-Lacan-Gesellschaft (FLG) ist, bezahlt 10€ pro Sitzung (Studenten u. Arbeitslose 5€).