„Wer Märchen vorzieht, schließt lieber die Ohren, wenn man ihm von der angeborenen Neigung des Menschen zur Boshaftigkeit, zur Aggression, zur Zerstörung und also auch zur Grausamkeit spricht. Und das ist nicht alles - daß „dem Menschen ist der Nächste […] eine Versuchung, seine Aggression an ihm zu befriedigen, seine Arbeitskraft ohne Entschädigung auszunützen, ihn ohne seine Einwilligung sexuell zu gebrauchen, sich in den Besitz seiner Habe zu setzen, ihn zu demütigen, ihm Schmerzen zu bereiten, zu martern und zu töten.“ (Jacques Lacan: Die Ethik der Psychoanalyse (1960), S. 224) Mit diesem Freud-Zitat aus „Das Unbehagen in der Kultur“ (1930) kreist Lacan den Kern der ethischen Fragestellung aus der Perspektive der Psychoanalyse ein: „Und was ist mir näher als dieses Innerste in mir, das das Innerste meines Genießens ist, dem ich mich nicht zu nähern wage? Soweit ich mich ihm annähere - das ist der Sinn des Unbehagens in der Kultur - , erscheint jene unergründliche Aggressivität, vor der ich zurückweiche, die ich gegen mich wende und die dann, an der Stelle des ohnmächtigen Gesetzes eben, ihr Gewicht an das abtritt, was mich hindert, eine bestimmte Grenze an der Schranke des Dings zu überschreiten.“ (Lacan: Ethik der Psa., S. 225) Welchen Rückhalt können wir angesichts des Unverzeihlichen und Grausamen gewinnen?
Wir wollen gemeinsam ausgewählte Texte aus Lacans „Ethik der Psychoanalyse“, Freuds „Das Unbehagen in der Kultur“ und Iris Därmanns „Undienlichkeit“ lesen und diskutieren.