Veranstalter: Freud-Lacan-Gesellschaft, Berlin
Leitung: Claus-Dieter Rath (seminar-rathcd@t-online.de)
Nächste Termine: Samstag, 02. April, 07. Mai, 11. Juni – jeweils 17:00 bis 19:00 Uhr
-Auch Online-
Liebe Teilnehmer und Interessenten,
die Sitzung dieses Seminars findet Samstag, 2. April 2022 nur online via ZOOM statt.
Wer teilnehmen möchte, melde sich per E-Mail an (bei Seminar-RathCD@t-online.de). Sie erhalten wenige Tage vorher eine Einladung mit einem Teilnahmecode.
Die Veranstaltung beginnt 17.15h. Sie können sich aber schon ab 17.00h einklinken.
(In den folgenden Monaten wird das Seminar je nach Stand der Vorsichtsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie auch in der Psychoanalytischen Bibliothek Berlin (PsyBi) stattfinden, als Hybrid-Veranstaltung, d.h. mit Einbezug der auswärtigen Teilnehmer via Online-Konferenz.)
Samstag, 2. April 2022 (17.15h – 19h):
Das Thema ›Abhängigkeiten‹ erfordert vom Psychoanalytiker soziales Vorstellungsvermögen.
Was erbringt die Kritische Theorie der Frankfurter Schule für die Psychoanalyse? Die ›logische Verblendung‹ als Quelle der Autorität. Fragen der Befreiung des Subjekts.
Claus-D. Rath (Berlin)
Die »Not des Lebens« (oder auch Lebensnot, Ananke) umfasst bei Freud äußere und innere Arbeitsanforderungen an den psychischen Apparat. Zur Lebensnot tragen das Reale, der konstante Drang des Triebs, das Drängen des Buchstabens ebenso bei wie das Joch der Zivilisation und der Aufwand, den Gesellschaften ihren einzelnen Mitgliedern zumuten, einschließlich sogenannter Sachzwänge.
Die Differenz zwischen Lustprinzip und einer historisch bestimmten Form des Realitätsprinzips wird zum zentralen Angriffspunkt für Herbert Marcuse, wenn er nach den Gründen fragt, aus denen überhaupt Triebverzicht stattfinden müsse. Er sieht dem Realitätsprinzip die Logik der jeweiligen Gesellschaft und deren Herrschaftsmechanismen eingeschrieben. Eine ihrer historischen Formen nennt er das Leistungsprinzip. Er sieht darin eine zusätzliche, über das Notwendige hinausgehende, künstlich erzeugte Lebensnot bzw. Unterdrückung.
Zur Lektüre empfohlen:
Claus-Dieter Rath (2001): Begehren und Aufbegehren. Eine Skizze zum Verhältnis von Kritischer Theorie, Psychoanalyse und Studentenbewegung. In: Luzifer-Amor. Zeitschrift zur Geschichte der Psychoanalyse. 14. Jg. Heft 28, Tübingen, S. 50 – 99.
Teilnehmer können auf Wunsch eine pdf-Kopie dieses Textes erhalten.
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Von psychoanalytischen und politischen Erfahrungen ausgehend erkunden die Teilnehmer dieses Seminars Erscheinungen, Strukturen und Vorstellungen der Abhängigkeit, Unabhängigkeit und Interdependenz.
Abhängig sind wir von anderen Personen, von gesellschaftlichen Verhältnissen und Institutionen, von den Naturgewalten und deren Zähmung, von Arbeit (und Kulturarbeit), von nährenden, heilenden, zerstörenden Substanzen, vom Trieb und dessen Transformationsmöglichkeiten oder von Zwangshandlungen, die den Trieb und die Angst in Schach halten sollen. Und überhaupt von logischen Voraussetzungen. Freud untersuchte Bauweise und Funktionen der Psyche beispielsweise im Hinblick auf die „Abhängigkeiten des Ichs“ (Kap. 5 von Das Ich und das Es).
Diese Dimensionen betreffen uns auf verschiedene Weisen: als biologische Abhängigkeit des Menschen-Babys, die Abhängigkeit von Liebe, als Anerkennung unseres Begehrens und unserer Präsenz in einer Gemeinschaft, die uns als ihr Mit-Glied anerkennt. Generell die Abhängigkeit von einer symbolischen Ordnung als symbolischer Stütze: anti-inzestuöse Grenzsetzungen, Sprache, Kulturordnung, Väterliche Metapher, Wissen.
Dabei differieren das objektiv Feststellbare und subjektive Überzeugungen, also Illusionen, Ignoranz und Verkennung von Abhängigkeit und Unabhängigkeit: „Ich kann mir das … (nicht) erlauben“, „Ich kann jederzeit aufhören“, „Ich bin mein eigener Herr“, bis hin zu den Äußerungen masochistischer Komponenten des Sexualtriebs in der „gläubigen Gefügigkeit“ (Freud), dem „lustvollen Gehorchen“ (Ferenczi) und der „Freiwilligen Knechtschaft“, die Etienne de la Boétie schon Mitte des 16. Jahrhunderts beschrieben hat.
Die psychoanalytische Kur hat mit einem Paradox zu kämpfen, denn eines ihrer Ziele lautet: Verantwortung übernehmen können für die eigenen Akte und Wahlentscheidungen – doch kommt dieser Emanzipationsprozess, dessen Dynamik von der Übertragung als Motor und Instrument bestimmt wird, nicht ohne neuerliche, massive Abhängigkeit aus.
Jede Konzeption des Ichs (in seiner behaupteten Autonomie und in seiner Abhängigkeit) und des Subjekts (als unterworfenem und als souveränem) siedelt in diesem Spannungsfeld.
Eine funktionierende Interdependenz ist die innere Voraussetzung des Freud’schen Ideals einer menschlichen Arbeitsgemeinschaft, die auf Liebesbindungen, Identifizierungen und Triebeinschränkungen gründet (vgl. Freuds Begriff der ‚Kulturarbeit‘).
Literaturhinweise:
Sigmund Freud (1921c). Massenpsychologie und Ich-Analyse. In GW 13, S. 71-161; StA 9, S. 65-134.
Sigmund Freud (1923b). Das Ich und das Es. In GW 13, S. 237-289; StA 3, S. 282-325.
Étienne de La Boétie: Von der freiwilligen Knechtschaft (zweisprachig). Übers. u. hg. v. Horst Günther. EVA, Frankfurt/M. 1980 (im Anhang: "Quellen, Umkreis, Wirkung") (u.a. Ausgaben; die Übersetzung von G. Landauer, 1910, ist als kindle e-book gratis erhältlich).
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Die weiteren Samstags-Termine (immer 17-19h) im ersten Halbjahr 2022:
7. Mai
11. Juni
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Teilnahmegebühr: Wer nicht Mitglied der Freud-Lacan-Gesellschaft (FLG) ist, bezahlt 10€ pro Sitzung (Studenten u. Arbeitslose 5€).
Hier die Bankverbindung der FLG:
IBAN: DE67 1004 0000 0572 7128 00
BIC: COBADEFFXXX (Commerzbank Berlin).
Freud-Lacan-Gesellschaft (www.freud-lacan-berlin.de; auch in facebook)
Das aktuelle Programm auf der Internetseite der FLG
Kontakt: Claus-Dieter Rath, Niebuhrstr. 77, 10629 Berlin
(Seminar-Mailadresse: Seminar-RathCD@t-online.de )